Frauen, die eine professionelle Laufbahn als Künstlerin anstreben, stehen im 19. Jahrhundert vor großen Herausforderungen. Im Unterschied zu ihren männlichen Kollegen haben sie keine gleichwertigen Ausbildungsmöglichkeiten, professionelle Netzwerke grenzen sie aus.

 

Doch die Frauen erkämpfen sich ihren Platz in der Kunstwelt.

Kunstakademien – For men only!

Künstlerinnen werden im gesamten 19. Jahrhundert von renommierten europäischen Kunstakademien ausgeschlossen. Eine Alternative zu den Akademien ist teurer Privatunterricht, so dass eine künstlerische Ausbildung nur Frauen aus wohlhabendem Haus möglich ist. 

 

Hintergrund dieser limitierten Ausbildungschancen für Frauen sind die bürgerlichen Erziehungsideale. Kreative und musische häusliche Tätigkeit sind bei jungen Frauen gern gesehen und werden mit Privatstunden gefördert, doch ihr künstlerischer Ehrgeiz oder gar berufliche Ambitionen gelten bei Frauen als unerhört. Und jede Bestrebungen nach beruflicher Selbstständigkeit werden im Keim erstickt. Eine junge Frau sollte sich Geschmack, nicht Wissen aneignen. 

Malweiber

In Deutschland gibt es für Frauen kaum akademische Ausbildungsmöglichkeiten. Kunstgewerbeschulen stehen Frauen offen, doch genießen wenig Ansehen. So werden Künstlerinnen selbst aktiv und schließen sich in vielen Städten in Vereinen zusammen, um gegen die Ausgrenzung aus dem Kunstbetrieb zu kämpfen. 1867 gründen sie den „Verein der Berliner Künstlerinnen“ mit einer angegliederten Zeichen- und Malschule. 1882 wird die „Damenmalakademie des Münchner Künstlerinnen-Vereins“ ins Leben gerufen. Zahlreiche private „Damenklassen“ bieten Frauen eine künstlerische Ausbildungsmöglichkeit. Trotz der hohen Tarife und der für Frauen verkürzten Ausbildungszeit ist der Andrang groß. Zudem bieten viele Maler Privatstunden an – wohl weniger, um die Sache der Frauen zu fördern, vielmehr stellen diese „Damenateliers“ eine sichere Einnahmequelle für die Künstler dar.

Damenmalklasse in Deutschland
© ullstein bild – Süddeutsche Zeitung Photo
„Man muss nur bedenken, wie billig die Herren studieren, dann kriegt man doch ne Wut. Wohin sollen wir armen Schlucker uns sonst wenden?“
Clara Westhoff über die Ungerechtigkeit an einer privaten Kunstschule
„Malweiber“ der Künstlerkolonie Dachau 1906
© ullstein bild – Philipp Kester

Künstlerinnen verfolgen trotz der ungleichen Ausbildungschancen ihre künstlerischen Ambitionen und schwärmen mit Pinsel und Leinwand bewaffnet zur Pleinairmalerei aus und bereisen Künstlerkolonien in Worpswede, auf Hiddensee, Dachau oder Murnau. Doch ihre Zeitgenossen verspotten sie als „Malweiber“. 

„Sehen Sie, Fräulein, es gibt zwei Arten von Malerinnen: die einen möchten heiraten und die anderen haben auch kein Talent.“
Simpliccissimus, 1901
Kunstmetropole Paris

In Frankreich bieten einige private Akademie, wie die Académie Colarossi, Grande-Chaumière, Académie Julian oder Académie Matisse Kunststudentinnen aus aller Welt den Unterricht in „classes mixtes“ an, also ein gemeinsames Studium mit Männern. Obgleich die Künstlerinnen hier mit großen Widerständen zu kämpfen haben, der Unterricht für sie doppelt so teuer ist wie für Männer und die Zustände an den privaten Akademien mangelhaft, so lockt die Ausbildung in der Kunstmetropole Paris hunderte Künstlerinnen aus aller Welt an.

„Hier ging mir eine neue Welt auf.“
Maria Slavona

So gibt es für ambitionierte Künstlerinnen aus Deutschland Ende des 19. Jahrhunderts nur ein leuchtendes Ziel: Paris.

Die Pariser Ateliers sind zwar genauso teuer und überfüllt wie hierzulande, doch Männer und Frauen, Anfänger und erfahrene Künstler arbeiten Seite an Seite. So zieht es zahlreiche deutsche Künstlerinnen in die französische Kunstmetropole, die eine gleichberechtigte und international anerkannte Ausbildung verspricht – und zugleich ein selbstbestimmtes, freies Leben fern der konservativen Heimat.

Im Atelier Colarossi um 1892/93: v.r.n.l. Ida Gerhardi, Julie Wolfthorn, Jelka Rosen u.a.
Courtesy LWL-Museum für Kunst und Kultur (Westfälisches Landesmuseum)

In Paris studieren Künstlerinnen wie Helene Funke, Julie Wolfthorn, Annemarie Kruse, Martha Bernstein, Marg Moll, Paula Modersohn-Becker, Mathilde Vollmoeller, Sabine Lepsius, Maria Slavona u.v.m..

„Immer ist Frühling in Paris … und oben auf dem Omnibus sitzen und durch die Stadt fahren ist wie Champagner trinken.“
Julie Wolfthorn
Eroberung der Akademien

Mit energischem Protest und massiven Kampagnen rebellieren die Künstlerinnen in Deutschland und Frankreich über Jahrzehnte gegen ihren Ausschluss aus der offiziellen Kunstszene und für die Aufnahme an Akademien und Künstlerorganisationen. 

 

Mit der rechtlichen Gleichstellung von Mann und Frau in der Weimarer Verfassung, öffneten sich die Kunstakademien in Deutschland 1919 nun auch den Studentinnen. Doch damit ging nicht automatisch eine Gleichstellung in sozialer Hinsicht innerhalb des Kunstbetriebs einher. 

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Kampf um berufliche Anerkennung
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Malweiber in der Künstlerkolonie Groetzingen / Karlsruhe
Courtesy Privatsammlung Obersteinbach