Aktdarstellungen waren in der Kunst über Jahrhunderte vornehmlich eine Huldigung an die Sinnlichkeit – und zwar der weiblichen. Der starke Künstler malte die schöne Frau – so das eingängige Bild.
Doch mit dieser einseitigen Darstellung brachen mutige Künstlerinnen seit jeher.
Der Akt ist eines der ältesten Genres in der Kunst und gilt bis heute als eine der „Königsdisziplinen“. Spätestens ab der Renaissance war das Studium des menschlichen Körpers zentraler Schwerpunkt der akademischen Ausbildung.
War die Darstellung von Nacktheit anfangs nur in religiösen, mythologischen oder historischen Szenen erlaubt, so begegnet man ab dem 19. Jahrhundert auch Aktdarstellungen in alltäglichen Situationen. Eins jedoch bleibt unverändert:
Der Großteil der dargestellten nackten Körper gehört Frauen.
Der weibliche Akt war seit jeher ein wichtiges Sujet, an denen die Künstler ihre Könnerschaft bewiesen. Malerinnen hingegen mussten mit den, im Ansehen deutlich niedriger gestellten Genres des Portraits und des Stilllebens Vorlieb nehmen. Während das Studium am Aktmodell für die männlichen Künstler selbstverständlich zur akademischen Ausbildung gehörte, blieb dies ihren Kolleginnen verwehrt. So waren Frauen aus „moralischen Gründen“ lange von der Aktmalerei ausgeschlossen und wurden mit Körperstudien an Gipsplastiken, Tieren oder Kindern „abgespeist“. Verbreitet war die Ansicht, dass das „zarte Geschlecht“ den harten Anforderungen eines Anatomieunterrichts körperlich wie moralisch nicht gewachsen sei.
Während Künstlerinnen in Frankreich bereits ab 1890 an gemischten Aktklassen teilnahmen, war Deutschland besonders prüde. Immerhin durften an manchen Damenklassen weibliche Aktmodelle oder Männer in Badehose gezeichnet werden. Fern von Prüderie und gesellschaftlicher Tabuisierung von Nacktheit ist ein tieferliegender Grund für den systematischen Ausschluss der Frauen wohl der, dass die klassische Maler-Modell-Beziehung nicht zuletzt die Hierarchie des herrschenden Geschlechterverhältnisses manifestierte.
Die Aktmalerei war ein Sujet der Männer und sollte es auch bleiben. Künstlerinnen wollte man schlichtweg nicht so viel Zugriff auf akademische Lebensläufe einräumen.
Mit dem systematischen Ausschluss der Frauen vom Aktstudium, wurde Künstlerinnen der zentrale Bestandteil einer professionellen Ausbildung lange verwehrt.
Immerhin war die Darstellung der menschlichen Anatomie eine wichtige Grundlage für eine professionelle Karriere und unverzichtbar, um Aufträge für Historienmalerei oder mythologische Szenen zu erlangen.
Den Hindernissen zum Trotz erobern sich Künstlerinnen seit jeher das Genre der Aktmalerei. Bereits im 17. Jahrhundert behauptete sich Artemisia Gentileschi in der männlichen Kunstszene und schuf heroische Frauenakte. Die äußerst erfolgreiche italienische Barockmalerin Giulia Lama fertigte zahlreiche Körperstudien an und bannte den männlichen Akt auf Altarbildern – für eine Frau ihrer Zeit absolut ungewöhnlich. In Frankreich schuf die angesehene Hofmalerin Élisabeth Vigée-Lebrun nicht nur zahlreiche Portraits des Who-is-Who der damaligen Adelsgesellschaft, sondern auch idealisierte Aktportraits im klassizistischen Stil.
Den wohl ersten weiblichen Selbstakt in der Kunstgeschichte malte Paula Modersohn-Becker in ihrem Pariser Atelier 1906 und setzte sich mutig über alle moralischen Schranken ihrer Zeit hinweg. Ihr lebensgroßes „Selbstportrait am sechsten Hochzeitstag“ inszeniert sich selbstbewusst als neue Frau und schöpferische Künstlerin.
Selbstbewusst war auch ihre Zeitgenossin Suzanne Valadon, eine autodidaktische Malerin aus der Pariser Unterschicht und zuvor selbst Aktmodell der großen Meister. Valadon entmystifizierte die Aktmalerei mit ihren ungeschönten Frauendarstellungen. Ihre Akte waren nicht länger sinnliche Projektionsfläche männlicher Malerfantasien, sondern pulsierende, vitale und authentische Körper.
Mit „Adam und Eva“ malt Suzanne Valadon sich und ihren jungen Liebhaber André Utter – um 1909 ein Skandal! Sie führt dem Betrachter ein gleichberechtigtes Paar vor – beide greifen nach dem verbotenen Apfel, beide sind am Sündenfall beteiligt. Doch eine gleichberechtigte Behandlung als Malerin wird ihr wiederum verwehrt. Denn um das Bild ausstellen zu dürfen, muss sie das Geschlecht Adams hinter Feigenblättern verbergen. Während der nackte Körper einer Frau in der Kunst gefeiert wurde, sorgte der männliche Akt, noch dazu aus der Hand einer Malerin, für Skandal.
Für Eklat sorgten auch die Aktbilder der expressionistischen Malerin Helene Funke, deren eigenwillige und ungeschönten Frauenakte bei ihren Zeitgenossen Kritik erregten. Auch ihre Kolleginnen Helene von Taussig und die wohl wichtigste Vertreterin der Wiener Moderne Broncia Koller-Pinell hinterlassen „unerhörte Aktbilder“. Ebenso die Österreicherin und offen bisexuell lebende Mariette Lydis, deren freizügige Darstellungen von Prostituierten, Lesben und Verbrecherinnen ihren Zeitgenossen als „pervers“ galten.
Zu Lebzeiten gefeiert wurde die polnische Femme fatal des Art Déco Tamara de Lempicka mit ihren sachlich-kühlen und zugleich sinnlich-erotischen Frauenportraits. Dagegen musste sich Natalja Gontscharowa, die Vertreterin der Russischen Avantgarde, für ihren modernen Frauenakt nach dessen polizeilicher Beschlagnahmung sogar vor Gericht verantworten.
Eine Spiel mit den klassischen Geschlechterbildern unternimmt die Surrealistin Leonor Fini, in deren Gemälde starke, bekleidete Frauen über nackten, schlafenden Männern thronen.
Unkonventionelle Selbstbilder schuf die österreichische Malerin Maria Lassnig mit ihren „Körpergefühlsbildern“. Über sechs Jahrzehnte unternahm die Künstlerin eine schonungslose Selbstbefragung und erforschte in eigenwilligen Aktbildern die Bewusstwerdung des eigenen Körpers – lange bevor die feministische Body Art salonfähig wurde.