Ob als Schülerin, Modell oder Partnerin – zahlreiche Künstlerinnen schufen an der Seite bekannter Künstler bahnbrechende Werke, doch nicht allen gelang es, aus dem Schatten der Männer hervorzutreten.

Anonyme Meisterinnen

In der Bildenden Kunst vor der Moderne, fällt es oft schwer, Werke von Frauen zu identifizieren, denn oft arbeiteten Künstlerinnen in Familienbetrieben oder angestellt in Malerwerkstätten. So waren ihre Arbeiten nicht signiert und wurden unter dem Label der Männer verkauft. Anzunehmen ist, dass viele Werke sogenannter „anonymer Meister“ von Frauen stammen.

Judith Leysters »Lustige Gesellschaft« (1630) wurde bis 1893 Frans Hals zugeschrieben, dessen Signatur über Leysters charakteristischen Initialen lag.
Courtesy Musée du Louvre / The Yorck Project, DIRECTMEDIA Publishing GmbH
Zu Schülerinnen degradierte Künstlerinnen

In der Kunstgeschichte finden sich immer wieder Beispiele von Frauen, die fälschlicherweise als Schülerin eines Künstlers ausgegeben wurden. So erging es der niederländischen Portraitmalerin Judith Leyster. Obwohl sie zu Lebzeiten bereits mit 24 Jahren zur renommierten Malerzunft zählte, wurde ihr Werk lange dem Portraitmaler Frans Hals zugeschrieben und sie fälschlicherweise als seine Schülerin ausgegeben. 1893 entdeckte man im Louvre unter der gefälschten Signatur von Frans Hals die Initialen der Künstlerin – dies läutete die Wiederentdeckung der Malerin ein. Aufgrund von Falschzuschreibungen ihrer Werke blieb Judith Leyster jedoch bis Ende des 19. Jahrhunderts weitgehend unbekannt. Frans Hals dagegen wurde als Portraitmaler gefeiert und mit Rubens, Rembrandt und Vermeer verglichen, heute wird die Zuordnung von 80 seiner Werke als kritisch betrachtet und angezweifelt. 

„Frauen werden immer als Schülerinnen tituliert, auch wenn sie schon zwanzig Jahre lang erfolgreich gearbeitet haben. Kaum machen sie etwas mit einem Mann zusammen, sind sie sofort die Assistentin.“
Ingrid Pfeiffer, Kuratorin SCHIRN Kunsthalle
Der Zwiespältige Begriff der „Muse“

Passiv, willenlos, einfach nur schön – so unsere Assoziation mit dem Wesen der Muse. Die meist weibliche Muse inspiriert den meist männlichen Künstler zu Großem, wofür dieser als Genie gefeiert wird. Heute stoßen uns solche Verhältnisse, oft einhergehend mit offensichtlichem Machtgefälle, negativ auf – gut so, denn der Begriff der Muse sollte hinterfragt werden.

 

Zahlreiche Künstlerinnen werden trotz ihrer bahnbrechenden künstlerischen Leistung als »Muse von…« herabgestuft – ein lästiges Etikett unter dem sie bis heute wahrgenommen werden.

Man Rays Fotografie von Meret Oppenheim, 1933
© Man Ray Trust 2015 / VG BILDKUNST 2021
„Bei den Künstlern ist man es gewöhnt, dass sie ein Leben führen, wie es ihnen passt – und die Bürger drücken ein Auge zu. Wenn aber eine Frau das Gleiche tut, dann sperren sie alle Augen auf. … Die Freiheit wird einem nicht gegeben, man muss sie sich nehmen.“
Meret Oppenheim
Man Rays Fotografie von Lee Miller
© Man Ray Trust 2015 / VG BILDKUNST 2021

Die Surrealisten, die alternative Gesellschaftsformen und Lebensmodelle anstrebten, waren eine für Frauen äußerst attraktive Gemeinschaft. Zugleich findet sich in ihrer Kunst ein zwiespältiges Frauenbild, das diese als „Kindfrau“, Hexe, Verkörperung des Eros und Muse schlechthin verehrte. Umso fataler mutet es an, dass ausgerechnet unabhängige und moderne Künstlerinnen, wie die avantgardistische Fotografin und Malerin Dora Maar oder die moderne Fotografin Lee Miller bis heute als » Muse« erzählt werden.

„Keine dieser Künstlerinnen hätte sich freiwillig selber als Muse tituliert, niemals.“
Ingrid Pfeiffer, Kuratorin SCHIRN Kunsthalle, Frankfurt
Künstlerpaare – Die Kunst der Gleichberechtigung

Die Kunstgeschichte wartet mit unzähligen Liebesbeziehungen und Künstlerehen auf. Auffällig ist, dass in den meisten Künstlerpartnerschaften die Männer beruflich erfolgreicher und angesehener waren. Viele Frauen gaben ihre künstlerische Tätigkeit zugunsten emotionaler Unterstützung des Künstlermannes auf, sie sorgten für den gemeinsamen Lebensunterhalt, organisierten den Alltag, kümmerten sich um die gemeinsamen Kinder, förderten gar die Kunst ihres Mannes. 

Noch im 19. Jahrhundert gaben Frauen ihre Künstlerkarriere mit der Heirat auf. So Marie Bracquemond, die französische Malerin stellte mit den Impressionisten sowie im Pariser Salon aus und wurde von Edgar Degas geschätzt. Doch ihr Ehemann Félix Bracquemond, ebenfalls Maler und wohl auch eifersüchtig auf ihren beginnenden Erfolg, hatte wenig Verständnis für die Ambitionen seiner Frau, so dass sie die Malerei bald aufgab und der Umfang ihres Oeuvres begrenzt blieb.

Leonora Carrington und Max Ernst, 1937, Fotografie: Lee Miller
© Lee Miller Archives, England 2021. All rights reserved. www.leemiller.co.uk

Die Liste der Künstlerpaare, von denen der Mann besser bekannt ist, ist lang und stimmt resignativ: Leonora Carrington war nur wenige Jahre mit Max Ernst zusammen und wird noch heute als seine Geliebte bezeichnet. Lucia Moholy, die mit ihren klaren Fotografien unser Bild des Bauhauses maßgeblich prägte, stand lange im Schatten von László Moholy-Nagy, dessen Dunkelkammerarbeiten sie ausführte, dessen Texte sie redigierte und mit dem gemeinsam sie das Fotogramm entwickelte – eine fotografische Erfindung die später allein ihrem Mann zugeschrieben wurde. Marianne von Werefkin stellte gar ihre eigene Malerei über Jahre ein, um ihren Mann Alexej von Jawlensky zu fördern – eine absurde Entscheidung, die sie bald bereute und nach ihrer Schaffenspause ihre künstlerische Hochphase hatte. 

„What I think is really interesting and fantastic is that now, belatedly and sadly after many of those artists have died, we can address that balance and we can begin to think that: Okay. Well, Josef Albers was a great painter, but boy, Annie Albers was an extraordinary innovative character.”
Frances Morris, Direktorin Tate Modern, London
Josef und Anni Albers
© VG BILDKUNST 2021 / Courtesy of the Josef and Anni Albers Foundation

Lee Krasner fand erst nach dem Tod des extrovertierten Jackson Pollocks zu ihrer eigenständigen Karriere. Lange als Pollocks Witwe bekannt, wurde sie erst in den 1980er Jahren als eigenständige Künstlerin des abstrakten Expressionismus gewürdigt. 

Jackson Pollock und Lee Krasner in Pollock‘s Atelier, Lawrence Larkin für The New Yorker, 1949
Courtesy Jason McCoy, American Contemporary Art Gallery-Munich
„Ich habe vor Pollock, während Pollock und nach Pollock gemalt.“
Lee Krasner

Gleichberechtigung und gegenseitige Anerkennung scheinen die Ausnahme zu sein, doch finden sich auch inspirierende Paare, die den Rollenbildern ihrer Zeit trotzten, so Sonia Delaunay-Terk und Robert Delaunay, die zum Inbegriff des vollkommenen Künstlerpaares wurden, ohne die eigene Persönlichkeit dafür aufgeben zu müssen. Natalja Gontscharowa und Michail Larionow, Vertreter der Russischen Avantgarde, drehten die klassischen Rollen um, während sie einen großen künstlerischen Output hatte, promotete er ihre Arbeit. Zum Traumpaar der Kunst der 1960er Jahre wurden Niki de Saint Phalle und Jean Tinguely, deren Persönlichkeiten so kontrastreich waren wir auch ihre Kunst.

Aber auch im 21. Jahrhundert findet sich eine ungleiche Wahrnehmung von Künstlerpaaren, so gilt Neo Rauch als Malerstar, während Rosa Loy meist mit dem Beisatz »Frau von…« Erwähnung findet. Die „Bild“ titelte anlässlich ihrer Ausstellungseröffnung treffend: „Ich bin die Frau von Neo Rauch und male auch“.

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Im Schatten der Männer

Im Schatten der Männer

Unfreiwillig Muse oder auf ewig Künstlerfrau
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Pablo Picasso und Dora Maar
© Man Ray Trust 2015 / VG BILDKUNST 2021