Julie Wolfthorn

Julie Wolfthorn, Fotograf unbekannt, 1906
Courtesy Münchner Stadtmuseum, Sammlung Fotografie, Archiv Kester
1864 – 1944 / deutsche Malerin und Grafikerin der Moderne
„Oft habe ich das Gefühl, als malte nicht ich, sondern ein anderer in mir, so daß ich mitunter überrascht vor meiner eigenen Arbeit stehe. Dies sind die glücklichsten Augenblicke des Schaffens.“
Julie Wolfthorn
Secessions-Mitbegründerin

Als um 1890 in Deutschland der Konflikt zwischen akademischer und moderner Kunst offen ausbricht, woraufhin sich 1898 die Berliner Secession unter Vorsitz Max Liebermanns zusammenschließt, finden sich unter den Gründungsmitgliedern auch vier Künstlerinnen – eine von ihnen ist Julie Wolfthorn. Während Liebermanns Name in den kunstgeschichtlichen Betrachtungen an vorderster Stelle steht und seine Werke zum gesicherten Kunstgut der europäischen Kultur zählen, ist Julie Wolfthorn nahezu vergessen. Dabei gehört sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu den meistbeschäftigten und bekanntesten Künstlerinnen Deutschlands – neben Dora Hinz und Käthe Kollwitz.

Julie Wolfthorn (links) in Paris
Privatarchiv Berlin
»Immer ist Frühling in Paris…«

Die begabte junge Frau geht zielsicher ihren eigenen Weg. Nach dem frühen Tod der Eltern, beginnt Wolfthorn 1890 in Berlin ihre Ausbildung zur Malerin, folgt bald den verlockenden Freiheitsklängen und zieht nach Paris, wo sie ihre Studien an der privaten Kunstakademie Colarossi fortsetzt. Hier erhält sie wichtige Impulse für ihre Arbeit, trifft auf Gleichgesinnte aus der Heimat, wie Ida Gerhardi oder Jelka Rosen. 1893 kehrt sie nach Berlin zurück, doch die Stadt an der Seine wird sie noch viele Jahre immer wieder anziehen. Wolfthorn nimmt an zahlreichen Ausstellungen teil, unter anderem in München, Hamburg, Weimar und an der Großen Berliner Kunstausstellung. 

Julie Wolfthorn, „Bildnisstudie blauer Hut“, um 1900
Privatsammlung Berlin / Foto: KOBERSTEIN FILM
Bestens vernetzt

Die gute Netzwerkerin ist in vielen Vereinigungen aktiv – Deutscher Künstlerbund, Verbindung Bildender Künstlerinnen, Künstlerinnenvereinigung München, Hiddenseer Künstlerinnenbund u. a. – und prägt das reformerische Kulturleben der Hauptstadt Berlin mit. Gemeinsam mit Käthe Kollwitz und anderen Frauen, setzt Wolfthorn sich für die Professionalisierung des Künstlerinnenberufs, für das Frauenstimmrecht und für die Abschaffung des Paragraphen 218 ein. Wolfthorn ist eine resolute, selbstbestimmte und moderne Frau, so wundert es nicht, dass ihr die Ehe nicht lange behagt:

„Mir scheint, das Heiraten ist nicht so einfach. Die kleinen Sorgen sind wie Mücken: Sie tun nicht weh, aber sie quälen. Und die Männer lachen uns aus und sagen, dass wir uns in der Kunst nicht mit ihnen messen können. (…) Der Kunst ist es aber nicht dienlich, wenn man den Kopf voller Gardinen und Laken hat.“
Julie Wolfthorn
Julie Wolfthorn mit ihrem Ehemann Rudolf Klein
Anerkennung als Künstlerin

Die Malerin ist bald als gefragte Porträtmalerin etabliert und bannt das Who-is-who der damaligen Gesellschaft auf die Leinwand. Max Liebermann schätzt sie und vermittelt ihr Aufträge und Ausstellungsbeteiligungen. Von Berlin aus unternimmt die rastlose Künstlerin immer wieder Studienreisen in Künstlerkolonien, fährt nach Worpswede, Dachau, Hiddensee, Schreiberhau, nach Ascona, Belgien, Holland und Frankreich. Die Nationalgalerie und weitere Berliner Museen erwerben ihre Werke, und ihre in Zeitungen und Zeitschriften abgedruckten Arbeiten machen die Künstlerin auch einer breiten Öffentlichkeit bekannt. 

Privatsammlung Berlin / Foto: KOBERSTEIN FILM
»Vergessen Sie uns nicht!«

Ein heutiger Blick auf Julie Wolfthorns Leben zeigt eine Künstlerin von großem Rang, aber ohne Ruf. Dass Wolfthorn in Vergessenheit gerät, liegt zum einem an der Kunstgeschichtsschreibung, die Künstlerinnen lange systematisch missachtet. Zum anderen ist es auch in der Biographie der Malerin und Graphikerin begründet. Als politisch aktive Jüdin, ändert sich mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten und der einsetzenden Judenverfolgung für Julie Wolfthorn das Leben radikal. Zunehmend wird sie aus Beruf und Gesellschaft ausgegrenzt und 1942, mit beinahe 80 Jahren, ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Hier überlebt sie noch zwei Jahre und arbeitet selbst an diesem Ort weiter, wenn auch heimlich. 1944 stirbt sie. Ihr letzter Gruß, festgehalten auf einer Postkarte an einen Freund, bevor sie gemeinsam mit ihrer Schwester die Deportation antrat: »Vergessen Sie uns nicht!« – ein Wunsch, der sich für die einst renommierte Künstlerin nicht erfüllen sollte – noch nicht… 

Privatsammlung Berlin / Foto: KOBERSTEIN FILM

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